Kuratiorische Texte / reviews

„Benjamin Nachtigall is an artist who draws, paints and creates sculptural installations. When still in his teens, he began to channel his artistic inclinations into creating delicate clay sculptures. These are now created simultaneously and thus influence one another. He often places them next to paintings and drawings, but is most inspired by the infinitely revealing possibilities of shaping with clay. The sculptural installation Pametna bijta (Smart Beings) places the visitor in the middle of a mesh frame, occupied by clay glazed beings that sit, lean and hang on it. The artist says these represent outsiders whom he doesn’t wish to limit with a strict narration. Instead of wrinkled, worried faces, beaming smilesor expressions of boredom, the figures are embellished with parts of plants and fruit – lemons, watermelons, artichokes, and the likes. Depersonalised faces don’t express character, which is why they offer us an alternative interpretation. Despite being placed in such close physical vicinity, these unique nomads are in fact distant from one another. The interaction between them is replaced by smartphones which they’re always holding and that hint at being their only means of communication. Deeply alienated, at once uprooted and confined, the fragile figures with their unique allure seem to cry out hoplessly. The aerial translucent installation reflects the headlong chase of extreme individualism, in consequence being trapped in the smallest of worlds and frames of identity. The stiff bodies in various poses, thrown into this atypical environment, humorously and challengingly question smartphones, smart houses and smart cities and, on the other hand, the emerging void that can be filled by direct human communication.

Exhibition text „Smart beeings“ Ravnikar gallery Lubljana 2019 by Teja Kosi

„Benjamin Nachtigall zeigt uns, was wir ebenfalls alle kennen – die Momente, in denen man quasi kopflos durch die Gegend spaziert, selbstvergessen ins Narrenkastl starrt und das Hirn auf Durchzug geschaltet ist. Seine Figuren sind zuweilen auch in Situationen oder bei „Tätigkeiten“ dargestellt, die einen – wenn auch unabsichtlich – besonders leicht in einen solchen Alphazustand versetzen können: ein Tier streicheln, in die Natur gehen, sich der Völlerei hingeben, am Smartphone daddeln.

Nachtigalls Protagonisten sind – nicht zuletzt aufgrund der Technologie, mit der einige von ihnen ausgestattet sind – eindeutig der Jetztzeit zuzuordnen. Werkstoff und Herstellungsverfahren zählen jedoch zu den ältesten der Menschheit. Frech bricht Nachtigall die Sehgewohnheiten und Erwartungen an fein glasierte Keramik und spannt zwischen Material und Inhalt einen weiten Bogen von der Urgeschichte direkt ins Heute. Stellt der Ton, aus dem die modernen Figuren gemacht sind, ihre Sehnsucht nach mehr Verbundenheit mit der Natur dar? Oder ist er eine Rückbindung an unsere archaischen Vorfahren? Sind sie deswegen auch nackt? – weil uns – trotz aller technischen Errungenschaften – im Grunde nicht viel von unseren Urahnen unterscheidet? Oder liegt es daran, dass Nachtigall jene entspannten Momente darstellt, in denen wir ganz nackt, ohne Maske sind – wo wir plötzlich alle so gleich sind, dass man uns statt unseres individuellen Kopfes auch einfach eine Frucht aufsetzen könnte?“

Clara Kaufmann, Eröffnungsrede 2019 Galerie Gans

„SMART BEINGS“ MUSA Wien 2018

„Respektlos, aber mit viel Liebe für das Material eignet sich Benjamin Nachtigall das Medium der Keramik an und erfindet eine kuriose, eigentümliche Figurenwelt. In Ausführung wie Inhalt rotzig und frech, ist diese weit entfernt von der kitschig-lieblichen Keramik des Kunsthandwerks. Die Gestalten mit Zitrone oder Artischocke anstelle eines Kopfes – gern auch zu fragilen raumgreifenden Installationen zusammengefügt – erzählen von Uniformität und Isolation in einer multimedialen Welt. Beklemmend, aber nicht ohne Humor umgesetzt, finden die Themen auch in großformatigen, surreal anmutenden Zeichnungen ihren Niederschlag.“

Günther Oberhollenzer (Kunsthistoriker, Autor und Kurator) über die Ausstellung

Benjamin Nachtigall – Smart Beings:

Wenn der Nachtigall singt

Oder wie man überzeugend mit alten Techniken neue Phänomene behandelt.


To tweet oder twittern, wie es auf Neudeutsch heisst ist nicht nur einen kurzen Text über einen Nachrichtendienst verbreiten, sondern in der ursprünglichen englischen Bedeutung auch tatsächlich singen oder zwitschern. Diese Tatsache passt nicht nur des Wortspiels wegen, sondern auch wegen der evidenten Naturbezogenheit der gezeigten Arbeiten sehr schön ins Gesamtbild der Schau.


Hier wird sehr charmant mit dem scheinbaren Widerspruch zwischen Natur (es gibt wohl kaum ein natürlicheres Material als den hier mutmaßlich verwendeten Ton, der ja im wesentlichen eine Form von Erde ist) und Technik gespielt, indem humanoide Figuren nicht nur aus ihrer Umgebung herauszuwachsen scheinen, sondern auch Pflanzenteile und Früchte statt Köpfen tragen. Diese einfachen aber sehr effektvollen Figuren sind allesamt völlig versunken mit ihren Mobiltelefonen oder sonstigen Smart-Devices beschäftigt.


So entstehen architektonische Strukturen, die von diesen kleinen “Smart Beings” bevölkert sind und gleichzeitig keinerlei Interaktion zwischen ihnen erkennen lassen. Wobei zu der starken Wirkung dieser Objekte nicht unwesentlich die in den Galerieraum erweiterte Gittergerüst-Struktur beiträgt, welche einige der kleineren Objekte zu zitieren scheint und auch als Sitz oder Liege für die bereits erwähnten Figuren dient. Sehr sympathisch an dieser kritischen Auseinandersetzung mit unserer digitalen Welt ist, dass die Figuren sehr verletzlich und im besten Sinn menschlich wirken trotz oder vielleicht sogar wegen ihrer Gemüseköpfe, da diese Identifikation leichter ermöglichen als individuelle Gesichter.

Wolfgang Pichler, 12.04.18 www.artmagazin.cc